“Schweinefleisch zieht dich runter” hat irgendein Trainer mal gesagt und seinen Spielern selbiges vor dem Match untersagt. Nun, das wird wohl nur einer der Gründe für mein Formtief am ersten Abend gewesen sein auch wenn eine Bratwurst nicht gerade als Schnitzel durchgeht.
Ca 200 km, 2500 Höhenmeter und 1 Kilo weniger Gewicht nach 2,5 Tagen auf den Rennsteig Radwanderweg – das ist die erste Bilanz unseres kleinen Himmelfahrtsausfluges.
Tag 1: Donnerstag morgen 5:30 Start mit Rad und Rucksack nach Saalfeld zum Bahnhof. Die 150 Hm lassen schon mal wissen, was es heisst 8kg Gepäck mit auf die Reise zu nehmen. Rein in den Zug und 2 Stunden später Ankunft in Hörschel, dem letzten Bahnhof vor dem Rennsteig. Nach ein paar Kilometer Landstraße geht es bergan. Die vorher sorgfältig präparierte Tour im Edge von Garmin, weisst bereits hier erste Schwächen auf und wird sich zum obersten Ärgernis dieser Tour entwickeln.
Es ist Männertag und entsprechend viele Perlen der Spezies sind unterwegs. Alle auf dem gleichen Weg aber mit unterschiedlichen Zielen für den Tag. Mein erstes Ziel nach den ersten beiden Stunden Auffahrt ist es auf jeden Fall die Umfahrung des Inselsberges anzustreben. Der schwere Boden und das Gewicht des Rucksacks kosten eine Menge Körner. Bei Ankunft auf der “Hohen Sonne” trafen wir eine große Ansammlung der Y-Chromosomenträger die wir mit unserem – bis dahin erwirkten – Äußeren ziemlich beeindruckten. Wir hätten ohne weitere Vorbereitungen an der Schlamm-Catch-WM teilnehmen können.
Dieser Umstand sorgte auch im weiteren Verlauf für amüsierte Reaktionen. Da wir auf dem Weg Richtung Dreiherrenstein durch den schönsten Sonnenschein und auf trockenen Wegen fuhren, fragte sich jeder der Ausflügler, wo wir all den Dreck her nahmen. Und stetig ging es bergauf. Der Edge bekam davon nichts mehr mit. Sein Höhenzähler hatte bei 188m den Dienst quittiert und Mountainbikers höchstes Glück – das der geleisteten Höhenmeter – dadurch nachhaltig gestört. Auf dem weiteren Weg bekam ich einen Hungerast. Ich fror wie verrückt und der Kreislauf ging in den Keller. Eine längere Pause und einige Rossmann-Protein-Riegel später war ich wieder halbwegs beeinander und die Fahrt ging weiter.
Nach dem Dreiherrenstein kam ich vom rechten Wege ab. Der Weg stieg plötzlich unmenschlich an und der Puls raste in Richtung 180. Der Hobbymediziner weiß: Das geht nich lange gut! Größtes Ritzel und kleinstes Blatt halfen nichts. Absteigen, schieben. Nachdem die Steigung etwas moderater wurde, sah ich durch die Bäume des Rätsels Lösung. Eine Antenne in den Farben rot und weiß. Wir waren auf dem Weg zum Gipfel des Inselsberges. Ich war sauer, denn den Stress wollte ich mich echt sparen. Inselsberg heisst nämlich 200 Hm extra auf der ersten und schwersten Etappe. Der Gipfelaufenthalt half nur wenig zur Besserung. Anschliessend noch ca. 15 km ins Nesselberghaus. Ich war tot. Ankunft im Nesselberghaus. Die redselige Chefin der Herberge stellte uns ein Zimmer im Dach des Hauses vor, das vorher wohl mal eine Pension für rauchende Hunde gewesen sein muss. Es roch nach Hund und der Teppich (frühe 90er, Angebotsware) war mit Brandspuren übersät. Ich war viel zu fertig um rumzumosern, also gab es ein Abendessen mit MDR 1, nebst einer Handvoll “zurecht gemachter” Y-Träger.
Ab ins Bett. Das Unwetter in den folgenden Stunden zog buchstäblich an mir vorrüber.
Tag 2: Ich erwachte aus meinem Komaschlaf und registrierte zuerst den Hundegeruch. Guten Morgen! Das Frühstück bot keine weiteren Überraschungen und wir zogen mit den schweren Beinen des Vortages los. Der folgende Abschnitt ist nahezu vollständig geteert. Locker rollten wir uns ein und nahmen die ersten 200 Hm. Bis nach Oberhof gab es nur kurze Schotterpassagen und die Tour liess sich entspannt an. Ab Oberhof folgt der Radweg beinahe ausnahmslos der Strasse. Das ist an einem verlängerten WE kein Spass. Der Rennsteig gehört den zahlreichen Wanderern und der Radwanderweg glaubt sich im Besitz des Autofahrer. Haarscharfe Überholmanöver sind die Folge, aber es rollte.
Nach dem letzten steilen Anstieg erreichten wir Masserberg, nur um dort festzustellen, dass wir falsch waren. Die Gemeinde Masserberg besteht aus mehreren Teilgemeinden, die auf der Karte nicht weit auseinanderliegen aber – wie im Thüringer Wald zu erwarten – durch einige Höhenmeter voneinander getrennt sind. So glaubt sich das gesuchte Hotel zwar in Masserberg liegt aber eigentlich in Heubach, welches wiedrum auch irgendwie zur OL Schnett gehört. Verdammich! Der folgende Weg erhielt dann den Namen des Organisators unserer Tour und wird in der späteren Geschichtsschreibung als Timo-Gutekunst-Gedächtnisstrecke bekannt. Das Hotel war ein früheres FDGB-Heim. Trotz der Asbestverkleidung und Parteitags- und Ferienlagerarchitektur bemühte sich das Haus um zeitgemäße Aspekte im Innenraum. Nicht vollständig, denn Flachspüler, Fliesen und Amaturen liessen keine Zweifel an ihrer Herkunft aufkommen. Das Haus nannte sich Sport- und Aktivhotel und bot einiges an Wellnessangeboten. Timo besuchte die Sauna, ich genoss den Ausblick auf den Thüringer Wald von unserem Zimmer im 3. Stock. Der Kuchen im Biergarten und das anschliessende Abendessen waren excellent.
3. Tag. Die Nacht verlief nicht so gut. Jeder von uns war immer mal wach. Meine Nacht war morgens um 5:00 Uhr vorbei. Unausgeschlafen gaben wir uns ein reichhaltiges Frühstück im Sitzungssaal der Volkskammer und machten uns los. Der Edge hatte am Vortag einige Totalausfälle hingelegt, funktionierte aber heute wieder bestens. Er navigierte nicht mehr, sondern zeigte nur noch die Karte und alle Daten. Das gefiel mir gut, denn die Navigation konnte man – wie sich auch im weiteren Verlauf zeigte – echt vergessen.
Die Strecke zwischen MasserbergHeubachSchnett und Neuhaus ist der wohl schönste Streckenabschnitt auf der gesamten Tour. So richtig klar wurde mir das erst nachdem ich mich mittels neu erstandener Rossmann-Riegel in Neuhaus wieder einigermaßen in Form gebracht hatte. Der weitere Weg nach Spechtsbrunn war auch ein sehr angenehmer. Kürzere Asphaltpassagen taten dem keinen Abbruch. Die Abfahrt Spechtsbrunn förderte den einzigen Kritikpunkt an meinen Gefährt erneut zu Tage. Die Bremse!
Die Einfahrt in den Ort blieb gewiss niemand verborgen. Das die Vorderrad-Bremse nach einem Kilometer Abfahrt kaum noch verwendbar ist und die verzogene Scheibe fortan schleift, ist eigentlich unzumutbar. Da hilft jetzt kein “die muss eingefahren werden” mehr, das muss ich mit dem Händler klären.
Spechtsbrunn war der eigentlich letzte Etappenort, aber mir ging es deutlich besser als am Morgen und ich entschied mich Timo´s Dauerempfehlung der letzten Tage zu entsprechen und die letzten 40 Kilometer bis Blankenstein durchzuziehen. Die führten zunächst bis Steinbach a. W. neben einer Bundestrasse entlang, waren aber trotzdem recht entspannt zu fahren. Nach Steinbach ging es noch einmal ordentlich bergauf, dann zurück in dem Wald und weiter auf Wurzel- und Schotterstrecken. Bei Brennersgrün gab es plötzlich wieder einen Rennsteig-Radwanderweg. Dieser bescherte uns nochmal ein paar gepflegte Höhenmeter und weiter ging es nach Blankenstein. Nach dem letzten Dorf vor unserem Zielort fuhren wir auf einem malerischen Pfad der seitlich von Obstbäumen flankiert, durch eine wunderbare Wiesenlandschaft führte.
Blankenstein war nahe, die Zugabfahrt auch. So rasten wir die letzten Kilometer und Höhenmeter im Tour de France Style mit wechselnder Führungsarbeit zum Bahnhof und erreichten diesen 2 min vor Abfahrt. Der Zug war bis Oberkante mit MTBs und Radlern gefüllt, wir fanden trotzdem noch einen Platz und ab ging die Fahrt nach Hause.
Fazit: Ich bin wohl zum ersten Mal 90 km mit dem MTB am Stück im Mittelgebirge gefahren. Das ist die eigentliche Leistung und macht mich im Nachhinein wirklich froh. Mal abgesehen von Bremse und Topo 3 Software machte das Material keine Schwierigkeiten. Ehrlicherweise muss man sagen, dass für die Tour ein leichtes Hardtail die beste Wahl ist. Ein All-Mountain-Fully wurde wohl eher für Hochgebirgspfade konzipiert.
Hätte ich mich besser auf die Tour vorbereiten können, wäre mir wohl auch der Inselsberg besser gelungen. Da wir bereits wussten, dass rings um uns herum die übelsten Unwetter heruntergingen, hatten wir in dem Punkt ein Riesenglück. Ich hab gerade mal drei Tropfen abbekommen.
Der Weg auf den Höhen hat von industriealisiert bis vernachlässigt alles zu bieten. Ein wenig mehr Pflege der Beschilderung und etwas weniger Asphalt würden dem gut tun und gewiss noch mehr Radfahrer in die Region locken. Das die erste Übernachtung aus Richtung Hörschel, derart verwahrlost ist, macht bleibenden Eindruck. Daran ändert auch der niedrige Preis nichts.
Die zweite Etappe kann man problemlos bis nach Neuhaus ausdehnen. Wie auch Masserberg ist die Stadt touristisch erschlossen und wenn man nur übernachten will, teilt sich die Tour in drei leichtere Etappen.
Soweit zunächst. Die Probleme mit der Edge-Software und der Avis Juicy five Bremse werde ich weiter verfolgen und an dieser Stelle davon berichten.
Jo mei, respect…schöner Bericht und als dabeigewesener Teilnehmer kann ich nur hinzufügen,daß alles der Wahrheit entspricht…und es war eine weltklasse Erfahrung…von dem Spaß und den verlorengegangenen Schweißtropfen ganz zu schweigen
Noch ein paar zusätzliche Info´s, die ich meinem neuem Tacho zu verdanken habe:
-insges. Fahrzeit: knapp 17 h (genau 16.57, allerdings ist hier der einfache Fahrtweg Rudolstadt- Saalfeld und der Rückweg dabei…also sind es eigentlich grob 16 h)
-durch. Kmh: 13.66
-max. Kmh: 61.48